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Biosensorische Oberflächen

Die Forschungsgruppe Biosensorische Oberflächen (RG BSO) beschäftigt sich mit der Entwicklung und Charakterisierung neuartiger Funktionsschichten für Sensoren und mikrofluidische Anwendungen im Bereich der Biowissenschaften (z. B. Medizin, Pharmazie und Biotechnologie). Heutzutage werden Biosensoren auf vielfältige Weise eingesetzt, z. B. in der klinischen Medizin zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels, bei der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln oder in der Umweltanalyse zum Nachweis potenziell umweltschädlicher Chemikalien.

Für Bionsensoren und mikrofluidische Anwendungen ist die Kontrolle der physikalischen, chemischen und biologischen Grenzflächeneigenschaften von entscheidender Bedeutung, um die bestmögliche Leistung in Bezug auf die Interaktion mit der biologischen Umgebung zu gewährleisten. Durch plasmagestützte Oberflächenmodifizierungsverfahren lassen sich Materialien mit neuen Eigenschaften herstellen, indem neue Oberflächenfunktionalitäten geschaffen oder dünne Schichten aufgebracht werden. Plasma-Oberflächenbehandlungen bieten eine Reihe von technischen Vorteilen, wie z. B. einfache Skalierbarkeit, Langzeitstabilität der modifizierten Oberfläche, Anwendbarkeit auf nahezu alle Materialien/Oberflächen, schnelle und umweltfreundliche Prozesse sowie die Erzeugung einer Vielzahl von funktionellen Gruppen. Dementsprechend vielfältig ist auch das Anwendungsspektrum.

In der RG BSO wird in einem interdisziplinären Forschungsumfeld an der Schnittstelle von Polymerchemie, Materialwissenschaften und Plasmatechnologie die Herstellung von dünnen Plasma-Polymer (pp)-Beschichtungen im Makro- und Mikrobereich mit unterschiedlichen Funktionalitäten untersucht. Darüber hinaus ist es ein Ziel der Gruppe, sicherere und umweltfreundlichere Vorstufen für die Herstellung der pp-Schichten bei Atmosphärendruck zu finden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kopplung von Molekülen/Enzymen/Proteinen/Zellen, die durch plasmabasierte Oberflächenmodifikationen realisiert werden kann. Die Eigenschaften der erzeugten Schichten werden mit modernster Oberflächenanalytik untersucht, um Informationen über den Schichtaufbau und die Stabilität in Abhängigkeit vom Beschichtungsprozess zu erhalten. Da diese Eigenschaften in direktem Zusammenhang mit der Funktionalität der Schicht als Biosensoroberfläche stehen, werden auch Untersuchungen zur Wechselwirkung mit dem Analyten durchgeführt.

 

Technologische Ausstattung

Das Herzstück eines jeden Biosensors ist die biologische Erkennungsstruktur, die aus einem Enzym, einem Antikörper, DNA oder ganzen Zellen bestehen kann. Um den Analyten in der Probe selektiv nachweisen zu können, ist eine Oberflächenmodifikation der biologischen Erkennungsschicht erforderlich. Die Oberflächenchemie der Erkennungsstruktur muss so gewählt werden, dass möglichst keine unspezifischen Wechselwirkungen auftreten und gleichzeitig eine gezielte Ankopplung des Analyt-Bindungspartners an die Sensoroberfläche realisiert wird. Insbesondere für Messungen in realen Proben ist es entscheidend, dass die funktionalisierte Oberfläche eine ausreichende Immobilisierungsdichte und eine ausreichend hohe Bindungsaktivität aufweist, so dass auch geringe Konzentrationen nachgewiesen werden können.
Ein Schwerpunkt der BSO-Forschungsgruppe ist die Erzeugung von dünnen plasmapolymerisierten Filmen, die mit sauerstoffhaltigen funktionellen Gruppen sowie anderen Funktionalitäten, einschließlich leitfähiger Polymere, angereichert sind.
Es werden Untersuchungen zur chemischen Zusammensetzung, Morphologie und Stabilität der plasmapolymerisierten Filme in wässriger Umgebung und anderen Versuchsanordnungen durchgeführt, um ihre Funktionalität zu prüfen und sie für industriebezogene Anwendungen zu validieren.

Chemisch strukturierte Oberflächen im Submillimeter- bis Mikrometerbereich erweisen sich als besonders wertvolle Plattform in der Mikrofluidik.
Bei vielen modernen Diagnoseverfahren liegen die Flüssigkeitsvolumina heute im Mikroliter- oder sogar Nanoliterbereich. Dies ermöglicht es der Mikrofluidik, die Proben- und Reagenzienvolumina drastisch zu reduzieren, Reaktionen schneller durchzuführen und so den Durchsatz zu erhöhen und ressourcenschonende Messungen zu ermöglichen. Zunehmendes Interesse besteht daher an der Verwendung von Multiplex-Arrays, mit denen eine große Anzahl von Analyten gleichzeitig auf einem einzigen Mikrochip verarbeitet werden kann. Dazu werden Bereiche mit definierten chemischen und physikalischen Eigenschaften benötigt, die auf einer beliebigen Oberfläche erzeugt werden können, z. B. durch ein in der RG BSO entwickeltes Plasmadruckverfahren, SurfAP3® genannt.  Dieses innovative Verfahren ermöglicht die ortsselektive Abscheidung von Plasmapolymerschichten mit Strukturgrößen von 50 bis 250 μm und Schichtdicken im Bereich von 20 bis 150 nm mit einem am INP entwickelten Atmosphärendruck-Plasmastrahl und Verfahren.
Darüber hinaus können mit SurfAP3® plasmagestützte Mikrofabrikationstechniken bei Atmosphärendruck für Anwendungen in der Mikroelektronik, der flexiblen Elektronik, der Mikrofluidik, der Bioelektronik und der additiven Fertigung ermöglicht und geplant werden.

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Hydrogele sind aufgrund ihrer stimulierend-responsiven Eigenschaften prädestiniert für Anwendungen in der Mikrofluidik und Medizintechnik.  Darüber hinaus eignen sich Hydrogelschichten aufgrund ihres hohen Wassergehalts und ihrer gewebeähnlichen mechanischen Eigenschaften und der damit verbundenen Biokompatibilität für die Entwicklung biomedizinischer (implantierbarer) Sensoren.
Die Forschungsgruppe BSO beschäftigt sich mit der Synthese von Hydrogelschichten durch Plasmapolymerisation bei Atmosphärendruck. So konnten beispielsweise Hydrogelschichten auf Acrylatbasis mit einer Dicke von bis zu 10 µm erzeugt werden, die ein kontrolliertes und reversibles Quellverhalten in Abhängigkeit vom pH-Wert zeigen. Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass die gezielte Einstellung der Schichtdicke und die damit verbundene charakteristische Faltenbildung die Immobilisierung von Biomolekülen begünstigt. Die Charakterisierung der hergestellten Schichten und ihre Abscheidung auf siebgedruckten Elektroden haben ihre praktische Anwendung im Bereich der elektrochemischen Biosensorik gezeigt, z.B. beim Nachweis von Glukose und dem parasympathomimetischen Alkaloid Esterin.