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Plasmamedizin

Die Plasmamedizin ist ein innovatives Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Physik und Lebenswissenschaften, das seit einigen Jahren einen immensen internationalen Aufschwung erfährt. So genannte kalte Atmosphärendruckplasmen werden mit Hilfe spezieller Plasmageräte erzeugt, um direkt am oder im Patienten medizinische Effekte zu erzielen. Gegenwärtiges Haupteinsatzgebiet ist die Behandlung von chronischen, infizierten Wunden und erregerbedingten Hauterkrankungen.

Mit Hilfe von Plasmen können viele Arten von Mikroorganismen einschließlich multiresistente Bakterien, wie z.B. MRSA, inaktiviert werden. Darüber hinaus belegen wissenschaftliche und klinische Studien, dass Plasma die natürliche Wundheilung durch Stimulation der Gewebeneubildung unterstützt. Neueste Forschungsergebnisse deuten zudem bei längeren bzw. intensiveren Plasmabehandlungen auf einen möglichen Nutzen bei der Inaktivierung von Tumorzellen hin. Dies lässt auf neue Perspektiven in der Krebsbehandlung hoffen. Die zu­grun­de­lie­gen­den zell- und molekularbiologischen Me­cha­nis­men der Wechselwirkungen zwi­schen Plasma und lebenden Zel­len oder Gewebe und deren Beeinflussung durch Modifikation von Plasmaparametern wer­den am INP durch in­ter­dis­zi­plinäre Teams un­ter­sucht. Dabei spielt vor allem die Untersuchung der durch Plasma generierten reaktiven Moleküle, wie z.B. reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies, eine zentrale Rolle. Ein weiteres wesentliches Ziel dieser Arbeiten ist die progressive Charakterisierung und Steuerung der physikalischen Eigenschaften kalter Atmosphärendruckplasmen in Wechselwirkung mit lebenden Systemen, um Plasmageräte für medizinische Anwendungen neu zu konzipieren, zu optimieren und damit neue Anwendungsgebiete zu erschließen sowie die Plasmamedizin auf eine solide wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Im Rahmen dieser umfangreichen Forschungsarbeiten konnte nachgewiesen werden, dass die Anwendung kalter Atmosphärendruckplasmen sicher ist – eine wesentliche Bedingung für die Anwendung in der Medizin.

Die ersten Kaltplasmageräte haben bereits Marktzulassung erhalten. Der am INP entwickelte Atmosphärendruck-Plasmajet kINPen® MED (2013 durch die neoplas med GmbH Greifswald als Medizinprodukt Klasse IIa CE-zertifiziert) wird erfolgreich zur Wundheilung und in der Dermatologie eingesetzt.

Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich gegenwärtig auf folgende Themenfelder:

  • Untersuchung redox-basierter Mechanismen von biologischen Plasmaeffekten, Identifizierung von Synergien zwischen Plasmamedizin und Redox-Biologie
  • Präklinische und translationale Forschung sowie Unterstützung klinischer Anwendungen von kaltem Atmosphärendruckplasma insbesondere auf den Gebieten der Wundheilung, Krebsbehandlung und Immunologie
  • Konzeption, Bau, experimentelle Erprobung und Optimierung von Atmosphärendruckplasmaquellen für spezielle biomedizinische Anwendungen

Der Forschungsschwerpunkt Plasmamedizin arbeitet mit verschiedenen lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Forschungspartnern und Kliniken zusammen. Auf dem Gebiet der Entwicklung und Charakterisierung von kalten Atmosphärendruckplasmaquellen für medizinische Anwendungen ist der Forschungsschwerpunkt Partner für die Industrie.

Das INP ist mit dem Forschungsschwerpunkt Plasmamedizin Mitglied verschiedener Forschungsverbünde:


Anwendungs- und Forschungsfelder

Zu den medizinischen Anwendungsgebieten kalter Atmosphärendruckplasmaquellen gehören neben der Desinfektion von Körperoberflächen und von lebendem Gewebe insbesondere die Beeinflussung der Wundheilung. Es wurde mittlerweile auch in klinischen Studien nachgewiesen, dass kaltes Atmosphärendruckplasma über eine antiseptische Wirkung hinaus die Regeneration von verletztem Gewebe direkt stimuliert und damit insbesondere den Heilungsprozess schlecht heilender, chronischer Wunden unterstützen kann. Die Einsatzgebiete für derartige Plasmageräte liegen insbesondere in der Dermatologie, der plastischen und ästhetischen Chirurgie sowie der Allgemein- und Unfallchirurgie. Seit Februar 2022 wird die „kurative Behandlung von chronischen und infizierten Wunden durch Applikation von physikalischem Kaltplasma“ in einer Leitlinie der AWMF -  Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. empfohlen.

Link zur Leitlinie: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/007-107l_Rationaler-therapeutischer-Einsatz-von-kaltem-physikalischem-Plasma_2022-02.pdf

Im Zusammenhang mit der Grundlagenforschung zu Mechanismen biologischer Plasmaeffekte wurde unter anderem gezeigt, dass derartige Wirkungen insbesondere über Veränderungen der flüssigen Zellumgebung vermittelt werden. Dabei wurde auch deutlich, dass eine Plasmabehandlung von Flüssigkeiten dazu führt, dass diese selbst biologisch wirksam werden können. Forschungen zu diesen sogenannten „plasmabehandelten Flüssigkeiten“ betreffen deren Einsatz als Desinfektionsmittel und Antiseptika ebenso wie spezielle Anwendungsmöglichkeiten in der Onkologie. Diese Arbeiten befinden sich gegenwärtig im Stadium der Grundlagenforschung.

Im Rahmen der Grundlagenforschung zu Plasma-Zell-Wechselwirkungen sowie im translationalen Tumormodell wurde gezeigt, dass mit kaltem Atmosphärendruckplasma auch Krebszellen abgetötet werden können. Ein wichtiges Ziel gegenwärtiger Forschungsarbeiten ist die Nutzung dieses Potentials im Rahmen der Krebsbehandlung, z.B. in Kombination mit chirurgischen, pharmakologischen oder immunmodulierenden Therapieansätzen. Der aktuelle Stand präklinischer und klinischer Forschung erlaubt jedoch noch keine Anwendung von Plasma in der Krebstherapie über spezielle palliative Anwendungen hinaus.

Die potentiellen Einsatzmöglichkeiten von kaltem Atmosphärendruckplasma in der Zahnmedizin schließen Anwendungen direkt am Zahn, an Implantaten und Prothesen sowie an der Mundschleimhaut ein. Antibakterielle und antientzündliche Plasmaeffekte sollen bei der Behandlung der Periimplantitis, d.h. Entzündungen an Zahnimplantaten, sowie in der Wurzelkanalbehandlung genutzt werden. Die Plasmaanwendung auf intraoralen Haut- und Schleimhautoberflächen zur Wundheilung oder zur Behandlung von Infektionen wird ebenfalls in Betracht gezogen. Die aus der Oberflächentechnologie bekannten Möglichkeiten zur Modifizierung und Optimierung von Materialoberflächen können sowohl auf Zahnoberflächen als auch auf metallischen und Kunststoffmaterialien beispielsweise über die Verbesserung der Benetzbarkeit zur Optimierung von Klebeprozessen oder zur Verbesserung der Haftung von Füllmaterialien eingesetzt werden bzw. das Anwachsen von Knochenzellen an Implantatoberflächen unterstützen.


Projektthemen

Das 2009 gestartete Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) „plasmatis – Plasma plus Zelle“ steht für eine einzigartige Kombination der Expertisen von Biochemikern, Pharmazeuten, Biologen und Physikern innerhalb des neuen Forschungsgebietes Plasmamedizin. In den vergangenen Jahren hat sich das ZIK plasmatis zu einem internationalen Themenführer auf diesem Gebiet mit dem Fokus der Erforschung der Plasmaanwendung zur Wundheilung und in der Krebstherapie entwickelt.

Die beiden ursprünglichen Nachwuchsgruppen "Extrazelluläre Effekte" und "Zelluläre Effekte" wurden als Forschergruppen "Plasmaquellen-Konzepte" und "Plasma-Wundheilung" am INP mittlerweile verstetigt. Die zwei neuen Nachwuchsgruppen "Plasma-Flüssigkeits-Effekte" und "Plasma-Redox-Effekte" erforschen im Rahmen des ZIK plasmatis Mechanismen von Plasma-Flüssigkeits-Wechselwirkungen sowie die Beeinflussung von zellulären Redox-Prozessen mit Hilfe kalter Plasmen in neuen Themenfeldern mit besonderer Berücksichtigung der plasmabasierten Inaktivierung von Tumorzellen. Dank der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) stehen dem ZIK plasmatis modernste Methoden und eine state-of-the-art Geräteausstattung zur Verfügung, um die interdisziplinäre Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Plasmamedizin am Standort Greifswald weiter zu vertiefen und auf neue klinische Themengebiete zu übertragen.

Projektleiter:
Dr. Sander Bekeschus
Telefon: +49 3834 - 554 3948
E-Mail: sander.bekeschusinp-greifswaldde

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Sander Bekeschus
Telefon: +49 3834 - 554 3948
E-Mail: bekeschusinp-greifswaldde

Dr. Kristian Wende
Telefon: +49 3834 554 3923
E-Mail: kristian.wendeinp-greifswaldde

Web: ZIK plasmatis

Das Applied Plasma Medicine Center ist ein Verbundprojekt des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie (INP) und des koreanischen Plasma Bioscience Research Center (PBRC) der Kwangwoon University in Seoul.

Ziel dieses Verbundprojektes ist, die internationale Zusammenarbeit in der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung im Bereich der Plasmamedizin zu verbessern und neue Anwendungsmöglichkeiten für kaltes Atmosphärendruckplasma in der Wundheilung und der Behandlung menschlicher Haut zu entwickeln.

Basierend auf den Erkenntnissen, welche die koreanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die Kooperation mit den INP-Wissenschaftlern gewinnen, sollen gemeinsam Plasmaquellen und Konzepte für zukünftige medizinische Anwendungen (z. B. in der Zahnmedizin oder für kosmetische/chirurgische Anwendungen) weiterentwickelt werden. Ein zentrales Hauptanliegen des APMC ist die Übernahme der deutschen DIN SPEC 91315 („Basic requirements for plasma sources in medicine”), welche die Erarbeitung gemeinsamer Standards für Plasmaquellen sowie die Etablierung von Routine-Analysen und einheitlicher Evaluationsprozesse umfasst. Eine solche Standardisierung ermöglicht nicht nur eine bessere Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Plasmaquellen und Studienergebnisse, sondern gewährleistet außerdem die schnelle und sichere Entwicklung von Kaltplasmaquellen im medizinischen Kontext und damit vor allem ihre sichere Anwendung am Menschen.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Kai Masur
Tel.: +49(0) 3834 554 3322
E-Mail: kai.masurinp-greifswaldde

Link zur Website: http://apmc.or.kr/eng/apmc/index.jsp

Die Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsmedizin Rostock untersucht gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie und weiteren regionalen Partnern innovative Therapien gegen Hautkrebs - mit einer Förderung des Landes-Exzellenzforschungsprogramms.

Hautkrebs ist mit über 200.000 Fällen in Deutschland die häufigste Tumorart. Bei einem Zehntel der Betroffenen wird ein malignes Melanom festgestellt, schwarzer Hautkrebs, der im Körper metastasieren und binnen weniger Monate zum Tod führen kann. Um die Behandlung zu verbessern, erforscht ein Bündnis unter Federführung der Hautklinik der Universitätsmedizin Rostock neue innovative Therapieformen. Hierbei werden kalte Plasmen, die im Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifswald erforscht werden, in Kombination mit pharmazeutischen Wirkstoffen , die gezielt in den Stoffwechsel von Tumorzellen eingreifen und diese am Wachstum hindern – eingesetzt und deren Wirkung untersucht. Weitere Partner sind die Universitäten in Rostock und Greifswald, die Universitätsmedizin Greifswald sowie das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.

In Greifswald wurden bereits vielversprechende Ergebnisse bei der Inaktivierung von Tumorzellen durch Plasma erzielt. In dem neuen Projekt geht es darum, dieses Verfahren zu optimieren und ein weiteres Anwendungsfeld zu erschließen. Die Kooperation mit der Universität Rostock biete die Möglichkeit, eine möglicherweise wirksame Alternative im Kampf gegen Krebs zu testen, welche etablierte Behandlungsmethoden wie die Chemotherapie ergänzt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Steffen Emmert
Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Universitätsmedizin Rostock
Tel.: +49(0) 381 494-9700
E-Mail: steffen.emmertmed.uni-rostockde

Dr. Sander Bekeschus
Leiter der Forschergruppe "Plasma-Redox-Effekte"
Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) plasmatis
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP)
Tel.: +49(0) 3834 554-3948
E-Mail: sander.bekeschusinp-greifswaldde

Website: Onkother-H

Das Ziel dieses Projektes ist die Initiierung eines Normungsprozesses zur Testung der Wirksamkeit und Sicherheit von kalten Atmosphärendruckplasmaquellen für medizinische Anwendungen basierend auf einheitlichen und anwendungsrelevanten Testverfahren. Basis und Ausgangspunkt ist die im Jahr 2014 unter der Federführung des INP veröffentlichte DIN SPEC 91315 „Allgemeine Anforderungen an medizinische Plasmaquellen“, die optimiert, angepasst, erweitert und in eine reguläre Norm überführt werden soll. Es sollen standardisierte Messverfahren für sämtliche plasmamedizinischen Quellenkonzepte (z.B. Volumen-, Oberflächen, oder Jet-Entladung) inkl. ihrer spezifischen Eigenschaften (u.a. Ein- bzw. Multi-Elektrodenkonzepte, kontrollierter Arbeitsgasvolumenstrom bzw. Umgebungsluft) vorgeschlagen werden. Die betrifft Testverfahren, die sowohl physikalisch-technische Kriterien für Plasmaquellen für den medizinischen Einsatz untersuchen als auch die biologischen Plasmawirkungen dazu in Bezug setzen.

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Dr. Sybille Hasse
Tel.: +49(0) 3834 554-3921
E-Mail: ybille.hassemed.uni-rostockde

Publikationen


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