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Plasmachemische Prozesse

Der Forschungsschwerpunkt "Plasmachemische Prozesse" konzentriert sich auf die Physik und Chemie reaktiver Plasmen, erarbeitet neue Konzepte für Plasmareaktoren sowie Ansätze und Methoden zur Steuerung plasmachemischer Prozesse.

Dazu wird die Zusammensetzung verschiedenster Plasmen, d.h. die Konzentrationen der geladenen und ungeladenen Plasmabestandteile, die energetischen Verhältnisse im Plasma, die vom Plasma emittierte Strahlung sowie die Wechselwirkung der Plasmen mit den begrenzenden Oberflächen analysiert. Unter anderen stehen dabei die Entwicklung neuer Methoden zur Steuerung von Plasmen für die Oberflächenbehandlung und die plasmachemische Stoffwandlung im Vordergrund.

Für die Untersuchungen stehen modernste Methoden der Infrarot-Absorptionsspektroskopie zur Verfügung, die eine sehr empfindliche Bestimmung der Konzentration von Molekülen in Plasmen darstellt und auch deren Kinetik miterfassen kann. Zudem können schnelle bildgebende Verfahren die Ausbildung der Plasmen und Entladungsregime erfassen, womit die Korrelation zwischen Entladungsphysik und Plasmachemie erschlossen werden kann. Zudem stehen Modelle und Simulationstools zur detaillierten Analyse multiphysikalischer Prozesse bereit. Basierend auf den Erkenntnissen der Grundlagenforschung sowie Erfahrungen im Aufbau von Plasmaquellen und deren elektrischer Charakterisierung werden auch neue Plasmareaktoren konzipiert oder optimiert. Die Arbeiten erfolgen oft in enger Kooperation mit Partnern in Wissenschaft und Industrie.


Anwendungs- und Forschungsfelder

Nicht-thermische Plasmen, die bei Atmosphärendruck betrieben werden können, sind heutzutage eine wichtige Technologie. Solche Atmosphärendruck-Plasmen, deren Gastemperatur kaum die Raumtemperatur übersteigt, werden u.a. zur Modifizierung empfindlicher Oberflächen, in der Behandlung von Gasen und in medizinischen Anwendungen eingesetzt. Der Forschungsschwerpunkt untersucht u.a. Plasmajets und Barrierenentladungen. Zum einen sind die Prozesse der Plasmaausbildung, d.h. die Mechanismen des elektrischen Durchbruchs von Interesse, zum anderen ist es die Bestimmung der reaktiven Spezies und die Identifikation der wesentlichen plasmachemischen Stoffwandlungsprozesse.

Zur Erfassung der Durchbruchsvorgänge werden high-end Techniken der schnellen Bildgebung und Spektroskopie, ICCD- und Streak-Kameras und Einzelphotonenzählung mit Zeitauflösungen bis in den sub-Nanosekunden-Bereich, sowie zeitaufgelöste elektrische Messungen durchgeführt. Eine weitere wichtige Forschungsfrage ist, in wie weit die Konzentrationen der entstehenden reaktiven Spezies gezielt gesteuert werden können. Dafür wird die absolute Konzentration von Schlüsselspezies bestimmt und unter Einbeziehung von Modellen werden die wichtigsten Produktions- und Verbrauchsmechanismen ermittelt. Für Atmosphärendruckplasmen sind klassische Verfahren der Plasmadiagnostik nicht oder nur begrenzt anwendbar. Deshalb ist die Weiterentwicklung von Diagnostiktechniken, wie z.B. Absorptionsspektroskopie, insbesondere Cavity-Ring-Down Spektroskopie eines unserer Forschungsthemen, siehe auch Website der Gruppe Plasmadiagnostik.

Die Kopplung von Plasmen und Katalysatoren ermöglicht Synergien und bietet ein komplexes Arbeitsfeld, das den Weg zur Synthese und der dezentralen Produktion neuer Materialien und Spezialchemikalien ebnen kann. Nichtthermische Plasmen ermöglichen chemische Prozesse mit hoher Aktivierungsenergie deren Selektivität mit Katalysatoren verbessert und optimiert werden kann. Die Wechselwirkung ist äußerst komplex und noch nicht vollständig verstanden. Uns interessiert wie die physikalischen und chemischen Eigenschaften katalytisch aktiver Bestandteile auf die Entladungsphysik zurückwirken und wie reaktive Plasmabestandteile chemische Prozesse am Katalysator beeinflussen.

Untersuchungen zu nichtthermischen reaktiven Plasmen erstrecken sich sowohl über Barrierenentladungen und Plasma-Jets bei Atmosphärendruck als auch über Niederdruckplasmen. Im Vordergrund steht die Analyse von plasmachemischen Prozessen, zur Interaktion von Plasmen mit Oberflächen und zur Optimierung von Plasmaquellen für diverse Anwendungen. Die am INP verfügbaren Modelle und Simulationstools ermöglichen eine zeitabhängige und räumlich mehrdimensionale Beschreibung und detaillierte Analyse plasmaphysikalischer und reaktionskinetischer Effekte, siehe auch Website der Abteilung Plasmamodellierung und Data Science.

Nicht-thermische Plasmen bei Atmosphärendruck sind Stand der Technik in der Ozonsynthese und dem Abbau von Gerüchen. Der Entladungstyp der Dielektrisch Behinderten Entladung (Barrienentladung, stille Entladung), der dabei meistens zum Einsatz kommt, zeichnet sich durch seinen relativ einfachen Betrieb, eine robuste Arbeitsweise und sehr gute Skalierbarkeit aus. Die Entwicklung neuer Plasmareaktoren basiert auf einem fundierten Verständnis dieser zumeist filamentierten Plasmen mittels experimenteller Methoden und multidimensionaler Plasmamodellierungen. Elektrische Ersatzschaltbilder erlauben die Bestimmung der Plasmaleistung und Vorhersagen zum Betrieb bei wechselnden Betriebsbedingungen. Darüber hinaus versuchen wir Ähnlichkeitsprinzipien zu verstehen um daran Skalierungskonzepte zu erarbeiten, damit ein erfolgreicher Transfer in die industrielle Praxis möglich wird.

Die komplexe chemische Beschaffenheit molekularer Plasmen stellt eine Herausforderung für die herkömmliche absorptionsbasierte Diagnostik dar. So kann ein Spektrometer auf der Basis von cw-Lasern mit geringer Bandbreite nur wenige Übergänge für einzelne Molekülarten messen. Bei sorgfältiger Auswahl des Spektralbereichs können zwar andere Arten gleichzeitig gemessen werden, aber das Problem der Querempfindlichkeit kann überwiegen. Breitband-Spektrometer wie Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer (FT-IR) und dispersionsbasierte Spektrometer haben dagegen eine breite spektrale Abdeckung und können mehrere Spezies im Plasma nahezu simultan messen. FT-IR-Spektrometer die inkohärente Lichtquellen verwenden haben allerdings eine begrenzte spektrale Auflösung. Eine weitere Herausforderung bei der Absorptionsspektroskopie molekularer Plasmen ist der Mangel an genauen spektroskopischen Parametern. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, entwickeln wir frequenzkammbasierte Spektroskopietechniken für breitbandige, schnelle und präzise Messungen von Absorptionsspektren molekularer Spezies in Plasmen sowie in Referenzgasproben bei erhöhten Temperaturen und wenden sie an.

Der Terahertz (THz) Bereich liegt im elektromagnetischen Spektrum zwischen Mikrowellen und Infrarotstrahlung und bietet viele Anwendungsmöglichkeiten, von der Grundlagenforschung bis zur Sicherheitstechnik und Biomedizin. Auch für die Plasmaphysik ist dieses spektrale Fenster von großer Bedeutung, da sich viele physikalische Phänomene und Effekte in Plasmen in diesem Energiebereich abspielen. Ihre Absorption im Plasma ermöglicht den Nachweis von bestimmten Atomen und Molekülen, aber auch Elektronen und Ionen. Am INP erforschen wir verschiedene THz-spektroskopischen Methoden zur Bestimmung von absoluten Dichten einer Vielzahl technologisch relevanter Spezies (z.B. Sauerstoffatome). Unser neuartiger Ansatz basiert auf der Detektion des Feinstrukturübergangs von Sauerstoffatome im Grundzustand bei 4,75 THz mittels eines kompakten THz-Quantenkaskadenlasers, der in enger Kooperation mit dem Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI) entwickelt und hergestellt wurde.

Die Plasmatechnologie spielt eine Schlüsselrolle bei der Herstellung von Mikroelektronik, fast jeder zweite Schritt im Herstellungsprozess ist ein Plasmaprozess. Der vielfachen Anwendung steht ein noch nicht vollständiges Wissen über die chemischen und physikalischen Aspekte entgegen. Diese sind jedoch für die Optimierung der Prozesse, zum Beispiel, für kleinere und schnellere Chips wichtig. Darüber hinaus wird die Prozesskontrolle in der Halbleiterindustrie durch die Entwicklung einer kennzahlgesteuerten Prozessführung immer wichtiger, so dass die Dauer der Prozesse und die Qualität der erzeugten Schichten optimiert werden können. Insbesondere der Nachweis von Atomen, z.B. von Sauerstoff- oder Fluoratomen, ist dabei von großer Bedeutung, scheitert aber bisher am Fehlen geeigneter Methoden für deren Nachweis in der industriellen Praxis.

Neben der Entwicklung hochempfindlicher Diagnostik werden grundlegende Fragen zur Plasma-Oberflächen Wechselwirkungen auf der Ebenen der Grundlagenforschung untersucht und die Sachverhalte vor allem in Kopplung mit Simulationen betrachtet.


Projektthemen

Die Anwendung von Atmosphärendruckplasmen für die Beschichtung oder Modifizierung von Oberflächen hat seit den 1990er Jahren erhebliches Interesse gefunden. Trotz des beträchtlichen Anwendungspotenzials der Atmosphärendruck-PECVD (z.B. für Solarzellen, im Korrosionsschutz, Glasindustrie, Textilien- oder Pharmatechnik) ist der derzeitige Kenntnisstand physikalisch-chemischer Mechanismen der Schichtabscheidung vergleichsweise gering. Eine offene Frage ist, ob die Schichtbildung über Radikale oder Ionen erfolgt. Leitidee des Projekts „FiloSurf“ ist die charakteristischen Eigenschaften von Barrierenentladungen mit kurzer Verweilzeit zu nutzen, um das Verständnis der Mechanismen wesentlich zu verbessern. Das Projekt ist eine Kooperation mit der TU Braunschweig. Unsere Anstrengungen richten sich auf Untersuchungen zur Rolle angeregter Argonatome als Energieträger für Ionisations-, Dissoziations- und Anregungsvorgänge, sowohl experimentell, im Besonderen mittels Laserabsorptionsspektroskopie, als auch mittels numerischer Modellierung.

Ziel des Projektes „PlasCCO2“ ist es, Kohlendioxid (CO2) als Rohstoff für die Produktion von C4-Chemikalien zu nutzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt im Rahmen der Maßnahme „CO2-Win“. PlasCO2 steht für ‚Plasmainduzierte Generierung von Kohlenmonoxid aus Kohlendioxid und dessen chemische Verwertung‘. Wir arbeiten daran, mit einem neu entwickelten Verfahren Synthesegas aus Kohlendioxid und Wasserstoff mittels eines Plasma-Reaktors zu gewinnen. Das auf diese Weise gewonnene Synthesegas kann dann für die Herstellung von Chemie-Produkten eingesetzt werden. Das Projektkonsortium wird von Evonik koordiniert und besteht neben dem INP aus dem Leibniz Institut für Katalyse e.V. (LIKAT) und der Rafflenbeul Anlagen Bau GmbH.

In diesem von der DFG und dem NSF geförderten Projekt soll die Konversion von Stickoxiden in Stickstoff durch Plasmakatalyse soll experimentell und mittels Modellierung untersucht werden. Insbesondere soll die Rolle kurzlebiger Spezies für katalytische Prozesse in engen Geometrien betrachtet werden. Projektpartner sind die TU Hamburg und die University of Minnesota. Die Arbeiten am INP fokussieren auf die Modellierung der Prozesse.

Das Gesamtvorhaben biogeniV (www.biogeniv.de) verknüpft die Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende mit den Potenzialen der Bioökonomie in der Region östliches Mecklenburg-Vorpommern, indem u.a. bisher ungenutzte biogene Reststoffe und CO2 für eine stoffliche oder energetische Nutzung umgewandelt werden. Das darin eingebettete Vorhaben bV-A1 „Dezentrale Biomethanolerzeugung“, bündelt die Erforschung und Erarbeitung von neuen Technologien für die Nutzbarmachung von biogenem CO2 für die Synthese von Kraft- und Wertstoffen. Ziel ist es, Verfahrensansätze, die insbesondere das Potenzial für eine Speicherung volatiler erneuerbarer Energie an dezentralen Anlagen der Biomasseverarbeitung bergen, auf ihre Praxisfähigkeit hin zu untersuchen und weiter zu qualifizieren. Partner sind die TAB Maschinen- und Stahlbau GmbH, die Hochschule Stralsund mit dem Institut für Regenerative Energiesysteme (IRES), das Leibniz-Institut für Katalyse e.V. (LIKAT) und das Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme in Hermsdorf.

Ziel dieses DFG-Projekts ist die Entwicklung und Erprobung von zwei geeigneten Detektionsmethoden eines Frequenzkammes im mittleren Infrarotbereich für die hochempfindliche Multispezies-Detektion in Plasma-Nitrocarburierungsprozessen. Konkret: (i) ein Fourier-Transformations-Spektrometer, das eine Erfassung aller Absorptionen der vorherrschenden C-H- und N-H-haltigen Spezies (z. B. CH4, C2H2, HCN, und NH3) innerhalb der Kamm-Bandbreite vollständig ermöglicht, und (ii) ein so genanntes Virtually Imaged Phased Array (VIPA)-Spektrometer, welches eine Zeitauflösung von Mikrosekunden für kinetische Messungen von flüchtigen Radikalen (z. B. CH3, CH2, NH, und NH2) erlaubt. Mit der Implementierung eines optischen Resonators soll das VIPA-Spektrometers weiterentwickelt werden, um die Nachweisempfindlichkeit für Radikale um mindestens vier Größenordnungen zu erhöhen. Darüber hinaus wird beabsichtigt, die komplexe Chemie von Cyanwasserstoff (HCN) aufgrund seiner Rolle auch in anderen kohlenstoff-, stickstoff- und wasserstoffhaltigen Plasmen aufzuklären. Besonderes Augenmerk wird auf die Isomerisierung zum reaktiveren Isocyanid-Isomer HNC gelegt, von dem angenommen wird, dass es aufgrund seiner Reaktivität die Plasmaeigenschaften beeinflusst. Über die Bestimmung von Konzentrationsprofilen in Abhängigkeit von Gaszusammensetzung und Plasmaleistung sowie einem Vergleich mit einem kinetischen Modell sollen bisher fehlende elementare [H,C,N]-Mechanismen postuliert und validiert werden. Perspektivisch können die in diesem Projekt zu entwickelnden Methoden auch zur Charakterisierung komplexer Gasmatrizen beispielsweise in der Aerosolchemie beitragen.


Partner

  • Universitäten Greifswald, Rostock und Kiel, HS Stralsund, TU Hamburg, LIKAT Rostock, TU Braunschweig, TU Freiberg, Fraunhofer IKTS, Paul-Drude-Institut
  • Evonik, Rafflenbeul-Anlagenbau, Cosun Beet Company Anklam, TAB Barth, RÜBIG, Menlo Systems
  • University of Minnesota, TU Eindhoven, LAPLACE  Toulouse, Masaryk University Brno, University of Leeds, University of Birmingham, Umea University, University of York, Université Sorbonne Paris Nord, NIST

 

Publikationen


Jahr:  

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Kontakt

Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V.
Felix-Hausdorff-Str. 2
17489 Greifswald

Prof. Dr. Ronny Brandenburg
Forschungsschwerpunktleiter Plasmachemische Prozesse

Tel.: +49 3834 - 554 3818
Fax: +49 3834 - 554 301

brandenburginp-greifswaldde
www.leibniz-inp.de

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